Jenseits der Klangschale. Heini S. im Kino.

Jenseits der Klangschale. Heini S. im Kino.

Sonntagnachmittag. Ein ziemlich voller Kinosaal in einem Kino, in das ich normalerweise nicht gehe. Zugegeben: Ich rechne mit dem Schlimmsten, mit so etwas wie dem unterirdischen Too BIG to tell von Johanna Tschautscher. Aber es kommt ganz anders. Ich sehe einen Film, den es sich zu sehen lohnt. Zumindest dann, wenn man sich für Dinge wie Wirtschaft und Nachhaltigkeit interessiert.

Aber zwei Dinge vorweg. Erstens: Ich kann nicht hinter die Kulissen der Staudingerschen Schuhfabrik schauen. Ich weiß zum Beispiel nicht, ob das Gerücht mit den Naturalienzahlungen stimmt; im Film wird es jedenfalls nicht thematisiert. Zweitens: Ich bin kein Fan. Und ziehe die Grenzen zivilen Ungehorsams sicher anders als Heini Staudinger. Ich finde dezidiert nicht, dass Gesetzesbruch schon dadurch legitimiert wird, dass man ein Gesetz für sinnlos hält. (Und ich bin sicher: Das Geschrei wäre riesengroß, wenn die Sache finanziell schlecht ausgehen würde.)

Zum Film also. Die Einstiegsszene, die man schon im Trailer sehen konnte, scheint meine Befürchtungen zu bestätigen – und steigert sie noch. Heini auf dem Fahrrad. Die rote Jacke. Heini im Bade. Geglückter Rückwärtssalto. Sprüche über Bill Gates und Milliardäre. Morgendämmerung. Und mir dämmert, dass ich wirklich im falschen Film bin.

Bin ich aber nicht. Dieser Film zeigt weder exzessive flache Kapitalismuskritik noch ergötzt er sich an Betroffenheitskitsch oder Esoterik. Nicole Scherg – die Frau, die den Film gemacht hat – hält drauf. Der Film ist interessant, weil die Leute interessant sind, die er zeigt. Staudinger selbst zeigt mehr Seiten, als das Klischee hergibt. Wenn er über hohe „Lohnnebenkosten“ spricht, klingt der Mann fast wie ein Vertreter der Wirtschaftskammer. Wenn er Stefan Sagmeisters Spruch „Trying to look good limits my life“ zitiert, gibt er den klassischen Öko.

Und wenn es um seine umstrittenen Finanzierungspraktiken geht, ist er ganz der Rebell in der roten Jacke, für den die Leute sich so begeistern. Ob er allerdings, wie Harald Welzer einmal geschrieben hat, durch seine „Umdefinition des Unternehmenszwecks“ wirklich ein Revolutionär ist, weiß ich auch nach diesem Kinobesuch nicht. Die stärksten Momente hat der Film jedenfalls, wenn sein Hauptdarsteller laut über das Leben nachdenkt. Man muss nicht der Klangschalenfraktion angehören, um seine Überlegungen bedenkenswert zu finden.

Gewiss, superbrandneu ist wahrscheinlich das Wenigste. Aber wenn mich nicht alles täuscht und ich nicht einem extrem smarten Rattenfänger auf den Leim gehe, redet hier einer, der es ernst meint. Der sich ehrlich bemüht. Moreau sagt im Film, das alles sei kein Marketinggag. Moreau? Was der genau ist, wird (mir) nicht ganz klar. Offensichtlich so etwas wie der Hausphilosoph von Herrn Staudinger.

Wir sehen also keinen Marketinggag und keinen Marketingfilm. Und trotzdem, daran kann es keinen Zweifel geben, wird sich dieser Film auf Reputation und Umsatz des Schuherstellers auswirken, und zwar positiv. Na und? All das kann man für schräg, komisch und – Achtung: Kalauer – hinterwäldlerisch halten. Teilweise ist es das auch, und es nervt, wenn bisweilen mitschwingt, dass die alten Zeiten für bessere Zeiten gehalten werden.

Aber der Film gibt Einblicke, die man ohne ihn nicht hätte. Und obwohl er eigentlich keinen Spannungsbogen hat, langweilt er an keiner Stelle. Das ist beim Thema Nachhaltigkeit bekanntlich keine Selbstverständlichkeit. Alles in allem also: sehenswert.

Das Leben ist keine Generalprobe. Österreich 2016. Regie: Nicole Scherg. Mit Heini Staudinger, Moreau und anderen.