Nachhaltigkeit und Humor

Klingt wie „Gender und Machos“ oder „Terrorismus und Frieden“? Das ist das Problem.

„Im Scherz“, hat Sigmund Freud einmal geschrieben,  „darf man bekanntlich sogar die Wahrheit sagen.“ Also brauchen wir mehr Scherze und Witze und Humor und Spaß. Roberto Blanco hat es auf den Punkt gebracht: „Ein bisschen Spaß muss sein!“

Muss. Das durchaus Zwanghafte dieser Formulierung passt gut zur Reputation, die die Deutschen auf diesem Gebiet haben. Als Deut­scher über Humor zu schreiben ist folglich heikel und fast so, als schriebe ein Schotte über Maßlosigkeit oder ein Italiener über Ordnung. Nicht wenige halten 1000 Jahre deutscher Humor ja für das kürzeste Buch der Welt. In seiner Anleitung Wie man Deutscher wird schreibt Adam Fletcher: „Du bist jetzt Deutscher. Du beurteilst einen Witz nicht mehr danach, wie witzig er ist. Das ist für Anfänger. Profis bewerten einen Scherz zuallererst nach seiner Plausibilität.“ Tja. Was die Sache im vor­liegenden Fall noch schlimmer macht: Ich komme nicht nur aus der „Sahelzone des Humors“ (wie das ein wenig lustiger österreichischer Kabarettist mal formuliert hat), sondern lebe auch noch in Wien, also in einem Umfeld, das mir prinzipiell unterstellt, schon aus genetischen Gründen nicht zum Humor fähig zu sein. Trotzdem: Es muss sein.

Denn: Auch wenn im Diskurs über Nachhaltigkeit dauernd von knappen Ressourcen die Rede ist, hört man über die allerknappste Ressource in diesem Diskurs sehr wenig: Humor. Der ist ja bekanntlich, wenn man trotzdem lacht – zum Lachen besteht bei diesem Thema freilich wenig Anlass. Heruntergezogene Mundwinkel und Betroffenheitsgesten gibt es im Überfluss. Witze über Nachhaltigkeit gibt es übri­gens so gut wie keine (Stefan Siemer und ich haben das einmal recher­chiert und dieses traurige Ergebnis auch publiziert).

Das ist schlecht – nicht zuletzt aufgrund der motivationalen Dimen­sion der Angelegenheit. Solange, wie hieß das früher so schön, „die Menschen draußen im Lande“ mit „Nachhaltigkeit“ vor allem üble Laune, Lebensqualitätsverlust und Langeweile sowie Katastrophenrhetorik, Korrekt- und Knausrigkeit as­soziieren, wird die Nachhaltigkeit ein Nischenthema mit Relevanz für das Nach­haltigkeitsbusiness bleiben, aber niemalsnie Mainstream werden. Man kann wie bisher weitermachen und sich gegenseitig versichern, wie unheimlich wichtig die „Nachhaltigkeit“ ist. Aber solange das „draußen“ niemanden interessiert, bleibt die Sache ein Minderheiten­programm. Ironie und Humor würden helfen.

Ein bisschen Spaß muss auch deshalb sein, weil er im Kampf gegen die Auswüchse der Korrektheit eine der wichtigsten Waffen ist. Einerseits zur Selbstverteidigung, um im Gestrüpp der Korrektheits­anforderungen und Sprachregelungen nicht verrückt zu werden. Anderer­seits als Gegenmittel gegen bisweilen apokalyptisch daherkommende Zukunftsszenarien, die entgegen dem Glauben vieler Aktivistinnen der „Nachhaltigkeit“ nicht zum Andersmachen motivieren. Die Abwesenheit von Humor führt zu einer schlechten Stimmung. Das ist schlecht und nicht gut.

Humor ein wirksames Antidot gegen öko-populistische Ideen. Es geht dabei weniger um Spott und um Lachen. Es geht vor allem um ein refle­xives Moment, das dem Humor innewohnt und das potenziell gegen den Glauben an all zu einfache „Lösungen“ helfen kann. Wenn man so will, geht es um Humor als Methode. Thomas Bernhard schreibt – scheinbar in Gegensatz zu prominenteren Äußerungen von ihm zu diesem Thema: „Nur was wir am Ende lächer­lich finden, beherrschen wir auch, nur wenn wir die Welt und das Leben auf ihr lächerlich finden, kom­men wir wei­ter, es gibt keine andere, keine bessere Methode“. In dieser Radikalität lässt sich die Sache vielleicht nicht durchhalten. Aber: Der Diskurs über Nachhaltigkeit kann nur gewinnen, wenn er etwas Lächerlichkeit zu­lässt, genauer: die reichlich vorhandene Lächer­lichkeit einmal zur Kenntnis nehmen und auf sich wirken lassen würde.

Man muss ja nicht gleich mit Albert Camus kom­men, aber dass das Unternehmen „Weltrettung“ bisweilen überaus ab­surde Züge trägt, wer­den zumindest externe Beobachter kaum über­sehen können. Humor könnte helfen. Um mit dieser Absurdität leben zu kön­nen. Und: um ein gutes Mittel gegen die Öko-Populisten zu haben, die uns mit heiligem Eifer erklären, dass alles sofort ganz anders werden muss und kann. Freud hat recht: Der Scherz macht die Wahrheit biswei­len erst möglich. Heute darf man über Nachhaltigkeit keine Witze machen. Das sollte sich ändern. Scherze, Witze, Humor und Spaß und (Selbst‑)Ironie – hätten wir im Diskurs über Nachhaltigkeit mehr da­von, wäre das eine echte Innovation.

(Überarbeitete Fassung eines Textes, der erstmals in Öko-Populismus erschienen ist.)