BULLSHIT!

„Exkremente sind niemals in besonderer Weise gestaltet und gearbeitet. Sie werden nur ausgeschieden und entsorgt.“ (Harry G. Frankfurt)

Mit der Überschrift sind natürlich nicht die Verdauungsprodukte von männlichen geschlechtsreifen Hausrindern gemeint. Worum es hier geht: Das nicht selten durch ungründliches Nachdenken „fundierte“ Umherwerfen mit Begriffen, Zitaten und Konzepten, die bei näherer Betrachtung wenig zur Sache tun – in dem Sinne, dass ihre Ver­wendung regelmäßig rein gar nichts dazu beiträgt, einer  Zielsetzung näher zu kommen.

Wenn heute öffentlich gesprochen oder geschrieben wird, tauchen regelmäßig – sehr regelmäßig – Begriffe wie diese auf: Adaptionsfähigkeit, Ambiguitätstoleranz, Benchmark, Change, Com­mitment, Demographie, Digitalisierung, Diversity, Entrepreneurship, Entkopplung, Ethik, Evaluation, Exzellenz, Fortschritt, Ge­mein­wohl, Gender, Gerechtigkeit, Globalisierung, Hirn­for­schung, Innovation, Integration, Interdisziplinarität, Jugendwahn, Kli­ma­wandel, Kompetenz, Konzept, Kreativität, Lernen, Multidisziplinarität, Nachhaltigkeit, Neuro-Irgend­was, Offenheit, Optimierung, Partizipation, Praxisorientie­rung, Qua­lität, Reputation, Resilienz, Spätkapitalismus, Stakeholder, Transdiszip­li­na­rität, Transformation, Transparenz, Umweltschutz, Ver­antwortung, Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit, Win-Win-Situa­tion, Wissensgesellschaft, Zielorientierung. Hat einen gewissen Wiedererkennungswert, oder? Diese Begriffe stehen durchaus oft auch für sinnvolle Aktivitäten, Projekte und Ziele. Aber mit solchen Worten lässt sich eben auch trefflich Bullshit betreiben.

Wenn Ihnen das Wort zu hart ist, denken Sie an „Buzzword“. Das ist zwar nicht dasselbe und hat auch nicht die philosophische Dignität wie das Wort in der Überschrift (Harry G. Frankfurt!), hat aber neben dem lauwarmen Klang einen weiteren Nachteil – „buzzworden“ ist nicht wirklich als Verb geeignet, „bullshitten“ aber schon. Von der Frage abgesehen, wieviel „t“s dabei zum Einsatz kommen sollten: Die Sache ist zweifelsohne eine sehr verbreitete Aktivität im öffentlichen Diskurs. Wirtschaft, Umwelt, Migration, Globalisierung, Nachhaltigkeit – da wird gebullshittet, dass es nur so kracht (oder spritzt?). Bullshitten, könnte man sagen und würde dabei nur wenig übertrei­ben, Bullshitten gehört zum Kerngeschäft vieler Aktivistinnen und Akti­visten der Weltverbesserung.

Nicht ganz das selbe (und auch nicht das, was Frankfurt meint) sind Ankündigungen, die als Tiger abheben und fast immer als Bettvorleger landen: „Ich möchte mal eine provokante Frage stellen.“ Gähn. „Jetzt kommt ein interessanter Gedanke!“ Sicher nicht. Wenn Sie solche Ankündigungen hören, wissen Sie: Jetzt wird es weder noch provokant noch interessant noch – auch so ein Wort – „spannend“. Sondern mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit fad, brav, uninteressant und unglaublich langweilig. In nahezu allen mir bekannten Fällen sind derlei Ankündigungen das, was man nur als performativen Selbstwiderspruch bezeichnen kann.

„Na und?“ Gute Frage. Nun, das beschrieben Phänomen ist nicht nur ästhetisch unerfreulich. Es ist auch ein Beitrag dazu, das korrektes Fühlen bisweilen die Überhand über zutreffendes Wissen erhält. Nicht gut. Bullshitten steht außerdem im Zusammenhang mit dem Aufschieben von anstehenden Entscheidungen und Handlungen. Auch nicht gut. Was daraus folgt? Dazu mehr hier. Aber nicht heute.

(Überarbeitete Fassung eines Textes, der erstmals in Öko-Populismus erschienen ist.)