Kinder, Kinder

Dass neues Leben ein Grund zur Freude und ein Anlass für Hoffnung ist, darf man wohl als Konstante der Menschheitsgeschichte bezeichnen. Hans Jonas bezieht sich in seinem Nachhaltigkeits-Klassiker Das Prinzip Verantwortung ganz aus­drücklich aufs Kinderkriegen: Die elterliche Verantwortung für das Kind ist für den Philosophen das „Urbild aller Verantwortung“ – und zwar ein zeitloses, das unabhängig von geschichtlichem und geographischem Ort gilt und jedem Menschen unmittelbar einleuchtet. Tut es das? Kinder kriegen und Kinder haben hat sich von einer anthropologischen Selbstverständlichkeit zu einem heiß diskutierten Problemthema entwickelt.

Weil eine gute Zu­kunft zunehmend als unsicher oder geradezu unwahrscheinlich empfunden wird, bröckelt heutzutage die Auffassung, dass Kinder es einmal besser haben sollen als ihre Eltern – denn dieses Besserhaben wird eben zunehmend für unmöglich gehal­ten. Damit wird das Kinderindieweltsetzen für viele zu einem hochgradig angstbesetzten Thema.

Nicht nur das: Manche finden, dass man keine Kinder kriegen darf, weil dieser Verzicht eine wirkungsvolle Maßnahme zum Umweltschutz sei. Kein Witz!!! „Das Kleinkind ist gerade dabei, einen Imagewandel vom rentenpolitischen Nützling zum klimapolitischen Schädling zu durchlaufen“ – so hat es vor einiger Zeit Christian Geyer in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung formuliert.

„Antinatalismus“ steht für die Auffassung, dass man aus ethischen Gründen – also zum Beispiel mit Blick auf die menschengemachte Klimaerwärmung – keine Kinder in die Welt setzen sollte. Wo andere von Zukunftsfähigkeit und Enkeltauglichkeit reden, wollen manche Leute lieber aussterben. Man kann die Bevölkerungszahl auf einem begrenzten Planeten mit sehr guten Gründen für einen hoch relevanten Zukunftsfaktor halten – und diese Haltung trotzdem als eine geistig-politische Ver­irrung ersten Ranges und ein ultimatives Symbol abgrundtiefer Hoff­nungslosigkeit betrachten.

Michael Braungart hat schon vor einigen Jahren davor gewarnt, dass die Überhöhung der Natur dazu führt, den Menschen als schlecht und gefährlich darzustellen. Genau das passiert hier: Für manche Leute ist der Mensch lediglich ein destruktiver Parasit, dessen Exis­tenz unrettbar zu einer Zerstörung von Mutter Erde führt. Zugespitzt: Wir müssen (aus)sterben, damit „Gaia“ leben kann. Was für ein Schwachsinn.

Nein, auch im Zeitalter der Klimakrise sollte man sich über Kinder freuen dürfen. Und im Ernst wird – abgesehen von einer bislang eher kleinen Anzahl ökologischer Fundamentalisten und Fundamentalistinnen – niemand in Abrede stellen, dass neues Leben ein unschlagbares Symbol für Hoffnung ist. Und ohne Hoffnung ist eine bessere – zum Beispiel eine „nachhaltige“ – Welt gewiss unmöglich.

(Dieser Text basiert auf Abschnitten aus dem Buch Hoffnung.)