Die Wahl. Nur Mut!

Die Wahl. Nur Mut!

Was sagen die Wahl und die darauf folgenden Befindlichkeiten für Diskurse, die sich um das Große und Ganze drehen? Oder, für die Beteiligten vielleicht noch einschüchternder: Hat das eine überhaupt irgend etwas mit dem anderen zu tun? Oder sind großflächige Langfristbetrachtungen am Ende eh wurscht, wenn es ums Hier und Heute geht? In einem klugen aktuellen Beitrag für die GAIA schreibt Christoph Görg über Dinge, die „zwischen Tagesgeschäft und Erdgeschichte“ liegen. Und darüber, wie schwer unterschiedliche Zeithorizonte zusammenpassen. Und wie kompliziert das ist. Womit wir beim Thema wären.

Robert Misik hat nicht nur eine lesenswerte Analyse des Zustandes der österreichischen Sozialdemokratie im Angesicht ihres Untergangs verfasst, sondern auf Facebook auch als „fun fact“ verkündet, Fred Sinowatz sei seinerzeit als Kanzler zurückgetreten, weil der von ihm nominierte Kandidat mit 46% der Stimmen unterlegen war. Abgesehen davon, dass Misik den damaligen Gegenkandidaten nicht erwähnt: Sinowatz ist bekanntlich schon oft Gegenstand leicht zu habender Witze gewesen. Dabei lohnt es sich auch hier, genauer hinzuschauen. Aus gegebenem Anlass hier also das Originalzitat zu „Alles sehr kompliziert“, für das Herr Sinowatz ebenso bekannt ist wie für das Pferd des Gegenkandidaten.

Also – here comes the real Sinowatz: „Ich weiß schon (…), das alles ist sehr kompliziert so wie diese Welt, in der wir leben und handeln, und die Gesellschaft, in der wir uns ent­falten wollen. Haben wir daher den Mut, mehr als bisher auf diese Kom­pliziertheit hinzuweisen; zuzugeben, daß es perfekte Lösungen für alles und für jeden in einer pluralistischen Demokra­tie gar nicht geben kann. Helfen wir mit, daß die simplen Denk­muster in der Politik überwunden werden können und daß wir die notwendigen Auseinandersetzungen für einen demokratischen Wil­lensbildungs­prozeß ohne Herabwürdigung der Demokratie füh­ren können.“ Das hat Sinowatz 1983 im Nationalrat gesagt. Das hat uns auch heute etwas zu sagen, oder? Zum Beispiel, dass es Mut braucht, um auf Kompliziertheit hinzuweisen, statt sie zu ignorieren oder populistisch kleinzureden.

Das Kernproblem scheint darin zu liegen, dass es zu viele Menschen gibt, die sich eine bessere Zukunft gar nicht vorstellen können. Die froh sind, wenn es nicht schlechter wird. Und die es erleichtert, wenn man ihnen einfache „Lösungen“ vorsetzt und verspricht, dass alles gut wird. Diesem simplen populistischen Narrativ eine Erzählung entgegenzusetzen, die so etwas wie Mut und Fortschritt in Aussicht stellt und sich auf die Kompliziertheit der Welt einlässt – das wäre es. Ganz unabhängig davon, ob man sich für Erdzeitalter oder Tagespolitik interessiert…

(Diejenigen, die jetzt ob eines fehlenden Lösungsvorschlages enttäuscht sind, muss ich leider bitten, diesen Text nochmal von vorne zu lesen.)