The Times They Are A-Changin‘
Neulich habe ich einen Beitrag über Feministische Ökonomik gelesen. Wie wichtig sie ist, welche Relevanz ihre Fragestellungen haben. Der Beitrag fokussierte mir etwas zu stark auf Buchhaltungsfragen (also Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung), war aber trotzdem ein kenntnisreicher und engagierter Text. Er gipfelt in dem Satz: „Ignoring the feminist perspective is bad economics.“ Einige Tage später las ich einen Kommentar mit der Überschrift „Mit weniger Wachstum leben“. „Die Wachstumsentschleunigung“, so der Autor, „ist ein Grund mehr, die längst ausbuchstabierten alternativen Wohlstandsindikatoren stärker in den Blick zu nehmen, wenn es darum geht, den Fortschritt in einer Volkswirtschaft zu beurteilen.“ Es sei falsch, „das Wachstum um jeden Preis in die Höhe treiben zu wollen.“
„Na und?“ könnten Sie jetzt fragen und sagen „Kenn‘ ich schon. Feministin bin ich sowieso, und die Wachstumsfrage fand ich immer schon wichtig. Was ist daran erwähnenswert?“ Nun, dies: Das flammende Plädoyer, Methoden und Erkenntnisse feministischer Wirtschaftsforschung ernst zu nehmen, habe ich nicht in Feminist Economics gelesen, sondern – im Economist. Und die Reflexion über Möglichkeiten und Grenzen weiteren Wachstum stammen nicht aus der politischen ökologie, sondern – aus der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.
Das heißt natürlich nicht, dass der Economist jetzt ein frauenbewegtes Kampfblatt wird oder die FAZ ihre Meinung zum Wachstumsziel fundamental in Frage stellt. Aber was es schon heißt: Es tut sich was. Auch wenn man eher nicht daran glaubt, dass es so etwas wie die „Mitte der Gesellschaft“ gibt – von einem Mainstream darf man wohl sprechen, und diese beiden Texte zeigen, dass sich dieser Strom ändert. Langsam (zu langsam wohl), aber stetig.
Denn die zitierten Beiträge sind nicht exotische Abweichungen von der Norm, sondern nur Beispiele für einen Trend. In nahezu jedem Heft des Economist findet sich (mindestens) ein Beitrag zu Nachhaltigkeits- und Ökologiethemen (vor allem zum Klimawandel). Und die FAZ sieht sich offenbar gezwungen, regelmäßig über Wachstums- und Verteilungsfragen und über studentische Kritik am VWL-Studium zu berichten – und zwar nicht im Feuilleton, sondern im Wirtschaftsteil.
Wenn solche Medien, jeder irrationalen Reformeuphorie absolut unverdächtig, über so wichtige Fragen ins Grübeln kommen, kann das Hoffnung machen. Die stirbt ja bekanntlich – nicht nur im Fußball – zuletzt.