Die Denker, die wir verdienen?

Wie hier schon mal bemerkt, sind Dummheit und Bequemlichkeit oft Verbündete, zumal in unserer komplizierten Welt, deren Zustand bei vielen Menschen ein überbordendes Orientierungs- und Sicherheitsbedürfnis auslöst. Diese Bedürfnisse kann man nachvollziehbar finden und sollte sie nicht lächerlich machen.

Weniger Geduld sollte man für Menschen aufbringen, die diese Lage für eigene Zwecke nutzen. „Der Philosoph“, schreibt der Philosoph Jürgen Habermas „ wird sich in der Rolle des Experten nur dann nicht verleugnen müssen, wenn er im Gegenzug zur Instrumentalisierung seines Wissens das Bewußtsein für die Grenzen jeder Expertise wachhält.“ Schön wär’s. Die reale Welt sieht anders aus: Philosophen, die bar ökonomischen Sachverstands als Digitalisierungsexperten fungieren. Journalisten, die die Zukunft vorhersagen und das „Forschung“ nennen. Tänzer, die am Schreibtisch neue Wirtschaftsordnungen kreieren. Hirnforscher, die zu allem was zu sagen haben.

Das könnte egal sein, wenn nicht – ökonomisch formuliert – diese Angebote auf eine Nachfrage stoßen würden: Und dann sind wir wieder beim Publikum, das auf der Suche ist. Nach Sinn. Nach Richtung. Nach einfachen Antworten. In seinem unbedingt lesenswerten Buch Die große Gereiztheit schreibt Bernhard Pörksen, es sei „schwer und oft prinzipiell unmöglich, unter den herrschenden Informationsbedingungen zu entscheiden, was denn nun stimmt und was nicht. In der Situation einer allgemeinen Verunsicherung wuchert der Verdacht, regiert der Zweifel und dominiert das Geraune, das den Durchblick suggeriert, aber eigentlich doch nur Verwirrung und Verstörung offenbart.“ Dass unter diesen Bedingungen Experten für eh alles Konjunktur haben, muss nicht verwundern.

Wie sich Orientierungsnachfrage und Heilsbringerangebote auf den Zustand der Welt auswirken, ist nicht ausgemacht. Schließlich wissen wir, dass man nicht in der Bratpfanne gelegen haben muss, um über ein Schnitzel zu schreiben. Und natürlich kann man gute Ideen zu Digitalisierung, Wirtschaft und Umwelt haben, ohne Ingenieurin, Ökonomin oder Försterin zu sein. Auch ohne die von Habermas zitierte Bescheidenheit kann man denkerisch zur Verbesserung der Welt beitragen. Aber eben auch zur Verschlechterung. Wenn man so hört und liest, was an Glücksversprechen und zu Grundeinkommen, Gemeinwohl und unseren Gehirnen unterwegs ist, ist Letzteres womöglich wahrscheinlicher.

Womit haben wir das verdient? To be continued.