Nach Corona: ALLES ANDERS! Wirklich?
Der Pessimist ist bekanntlich der einzige Mist, auf dem nichts wächst. Über Optimismus ließe sich Ähnliches sagen. Wir haben es hier mit „faulen“ Denkhaltungen zu tun: Wo der Pessimist untätig bleibt, weil Handeln aufgrund der sicheren Erfolglosigkeit sinnlos ist, fühlt sich die Optimistin deshalb nicht zum Handeln aufgefordert, weil die Dinge sich ja ohnehin zum Guten wenden werden. Hoffnung dagegen ist nicht faul, sondern aktivistisch. Hoffnung will wissen und die Welt ändern.
Es gibt aktuell wohl zwei Arten von Hoffnungen. Die eine bezieht sich auf die aktuelle dramatische Krise: Ich zum Beispiel hoffe mit vielen anderen Menschen, dass sie medizinisch sehr schnell gemeistert wird und die demokratiepolitischen und ökonomischen Schäden sich eindämmen lassen. Dass das gelingt, ist alles andere als sicher. Aber man kann es mit guten Gründen hoffen.
Eine andere Hoffnung schaut weiter in die Zukunft. Ich hoffe von Herzen, dass wir die gigantische Lern-Chance nutzen, die uns als Individuen und Gesellschaft geboten wird. Mich beschäftigt, dass die Klimakrise – die bekanntlich sehr viele Menschenleben kosten wird – nicht dieselbe politische Energie entfaltet wie der aktuelle Notstand. Business as usual kann es aufgrund der menschengemachten Klimaerwärmung schon lange nicht mehr geben. Sehr vieles wird sich grundlegend ändern müssen, um eine Klimakatastrophe zu verhindern. Analogien zwischen Klima‑ und Coronakrise sind freilich von begrenzter Aussagekraft.
Dennoch scheint es den Wunsch zu geben, dass alles anders wird – dass die Menschen jetzt endlich solidarisch, achtsam und nachhaltig leben werden. Jetzt aber! Der naive Optimismus, der sich hier bisweilen Bahn bricht, ist bemerkenswert. Und gerade keine Hoffnung – weil die eben realistisch und kritisch auf die Welt schaut. Man zeigt uns Satellitenbilder, die den aktuellen Emissionsrückgang in China verdeutlichen. Natürlich zeigt sich, dass ein Herunterfahren ökonomischer Aktivität zu einer Entlastung der Natur führt. Aber wie sagt man in Wien? No na net – es könnte kaum anders sein. Ähnliches passierte mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion: In der Klimadiskussion spricht man vom „Gorbatschow-Effekt“.
Wer jetzt auf den „Coronavirus-Effekt“ hofft, übersieht womöglich zwei wichtige Dinge. Erstens: Will man wirklich, dass die derzeit durchgeführten drastischen Maßnahmen auf Dauer gestellt werden? Soll das Klima durch massivste Eingriffe (auch in die Freiheit) „gerettet“ werden? Bei der derzeitigen Krise reden wir von Wochen oder Monaten – beim Klima heißt der Horizont: immer. Wie Prince einmal sang: eine verdammt lange Zeit. Ralf Fücks ortet in derartigen Phantasien einen tiefen Autoritarismus. Ich orte eher eine tiefe Sehnsucht nach einfachen Lösungen – gefährlich finde ich diese Phantasien trotzdem.
Zweitens, auch darauf weist Fücks hin: Die Viruskrise hat vor allem eine Ursache (eben einen Virus), die Klimakrise ist allerhöchstkomplex – hier geht es um sämtliche Aspekte unserer Lebensweise, vom Essen über das Wohnen und Reisen bis zur nachhaltigen Infrastrukturen und der Produktion von Energie. Dass sich das nicht mit denselben Mitteln managen lässt wie der Ausbruch eines Virus, scheint mir offensichtlich.
Zur Hoffnung gibt es trotzdem Anlass: Denn die Krise zeigt, dass politische Ziele (wie Gesundheit) die Oberhand gewinnen können über ökonomische Ziele. Es deutet sich zumindest an, dass es anders gehen könnte als bisher. Nach der Finanzkrise war viel von der New Normalcy die Rede, von einer neuen Normalität, die sich entwickeln würde. Darauf kann man hier und heute hoffen – auch dann, wenn man die Differenz zwischen Corona- und Klimakrise im Blick hat.
Hoffen wir also, dass wir etwas Gutes aus dieser schrecklichen Krise machen. Die Chance zum Lernen und Bessermachen besteht. Dass wir sie nutzen, wird wahrscheinlicher, wenn wir hoffnungsvoll, kritisch und realistisch auf die Welt schauen – und uns nicht von naivem Optimismus und Wunschdenken blenden lassen.